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Kapitalismus auf der Intensivstation

Die Finanzkrise ist eine Krise des Kapitalismus...

Selten sprechen die Schlüsselfiguren des globalen Kapitalismus‘ so offen über die Auswirkungen ihrer Wirtschaftsweise, wie US-Finanzminister Henry Paulson dies neulich tat: „Der Steuerzahler wird letztendlich immer zur Kasse gebeten werden bei dem System, das wir haben. Wer soll denn sonst die Kosten tragen, wenn das System nicht stabil ist?“ Im Klartext heißt das: Vielen Banken droht der Zusammenbruch, und die arbeitende Bevölkerung soll für deren Rettung aufkommen. Was genau musste passieren, damit Paulson gezwungen war, die Karten auf den Tisch zu legen?

Die Hintergründe

Seit mehr als einem Jahr befindet sich das internationale Finanzsystem in einer tiefen Krise. Auslöser dafür waren massive Spekulationen mit unsicheren Kreditpaketen. (Der Hintergrund ist allerdings in der sogenannten „Realwirtschaft“ zu suchen, wo massive Überkapazitäten die KapitalistInnen dazu verleiteten, in den letzten Jahren vermehr überschüssiges Kapital in den Finanzsektor zu investieren.) Vor allem viele US-Banken hatten Kredite an ArbeiterInnen vergeben, um sich teure Autos oder Häuser zu kaufen, mit dem Argument, dass sie die Kredite durch steigende Häuserpreise finanzieren könnten – auch wenn von vorneherein absehbar war, dass der Großteil dieser Kredite niemals abbezahlt würde. Um den Zahlungsdruck noch weiter zu erhöhen, wurden die Zinsen Stück für Stück angehoben, was noch mehr ArbeiterInnen zahlungsunfähig machte.

Gleichzeitig wollten die Banken natürlich nicht nur die “einfachen” Gewinne aus den Kreditzinsen, sondern bündelten die Kredite zu Paketen, die sie dann an der Börse verkauften. Diese Kreditpakete wurden wieder gebündelt und wieder verkauft. Die AnlegerInnen hofften, durch Spekulationsgeschäfte mit den Paketen Geld machen zu können. Weiterhin wurden diese riesigen Geldgeschäfte ebenso mit Krediten bezahlt und mit Versicherungspaketen rückversichert, die dann gleichfalls weiter gehandelt wurden.

Dieser Teufelskreis konnte nur solange gut gehen, wie die Kredite bezahlt werden konnten. Sobald aber einige Zahlungen ausblieben, bröckelte das ganze System auseinander. Mitte September begann es zu krachen: die US-Banken Fanny Mae, Freddie Mac und Lehman Brothers wurden angesichts großer Verluste geschlossen oder vom Staat übernommen. In Island ist der gesamte Bankensektor zusammengebrochen und verstaatlicht worden – das Land steht vor dem Bankrott. In Deutschland ist die Hypo Real Estate Bank ebenfalls pleite gegangen und auch die Sparkassen sind betroffen.

Ein sehr wichtiger Faktor dabei bestand im Vertrauensverlust der Banken untereinander: die Banken gaben sich gegenseitig keine Kredite mehr und auch die Unternehmen bekamen Schwierigkeiten, Kredite zu erhalten. So hat diese Finanzkrise natürlich auch Auswirkungen auf die “Realwirtschaft”. Die Regierungen der kapitalistischen Länder beeilen sich nun, großspurige Rettungspakete zu schnüren: die Bundesregierung z.B. will 500 Mrd. € für die Banken zur Verfügung stellen, um die von ihnen geschaffene Krise abzufedern.

Auch die Gewerkschaften und die Linkspartei befürworten solche Rettungsaktionen. Oskar Lafontaine meinte beispielsweise, man müsse “den Geldfluss um jeden Preis erhalten.” Natürlich bedeutet dies nichts anderes als eine weitere Umverteilung des Reichtums von unten nach oben. Denn für Ausgaben im Bereich der Bildung oder des Sozialen wird seit Jahren behauptet, es sei kein Geld da.

Woher kommt die Krise?

Die aktuellen Auswüchse des Finanzmarktes verleiten einige dazu, den “bösen” Finanzmarkt der “guten” industriellen Produktion entgegenzustellen, weil letztere ja tatsächlichen Mehrwert schaffe, während ersterer nur mit virtuellem Geld spiele. Bei diesen Vorwürfen werden aber zwei wesentliche Dinge übersehen: erstens sorgt das Kreditsystem dafür, dass einzelne KapitalistInnen mehr Geld investieren können, als sie tatsächlich haben, was eine enorme Ankurbelung der Produktivität zur Folge haben kann. Und zweitens – was noch viel wichtiger ist – sind Spekulationen und Krisen Grundbestandteile des kapitalistischen Systems selbst.

Ein Beispiel dafür, dass (industrielle) Produktion im Kapitalismus immer ein spekulatives Element hat, ist die Überproduktion von Waren - was folgendermaßen skizziert werden kann: Der enorme Konkurrenzdruck sorgt maßgeblich dafür, dass nur die profitabelsten Unternehmen überleben können. Die wichtigsten Mechanismen zur Steigerung des Profits sind Produktivitätssteigerungen und Lohnsenkungen. Dies sorgt – neben den kontinuierlichen Angriffen auf die Lebensbedingungen der ArbeiterInnen – vor allem dafür, dass häufig mehr Waren produziert werden als tatsächlich verkauft werden können. Denn jedes Unternehmen muss spekulieren, dass eben genau seine und nicht die Produkte der Konkurrenz gekauft werden. Es gibt dann eine Überproduktion von Waren, deren Wert und somit auch der potentielle Profit einzelner KapitalistInnen verfällt.

Dieser Mechanismus ist der Grund, dass viele – schon im kapitalistischen „Normalzustand“, in der Krise noch mehr – unprofitable Unternehmen pleite gehen, was mit einer enormen Kapitalvernichtung einhergeht. Für die Menschen bedeutet das Erwerbslosigkeit, oft auch Hunger und Elend. Die Leidtragenden sind in letzter Instanz im Kapitalismus immer die ArbeiterInnen und die zukünftigen ArbeiterInnen, also SchülerInnen, Studierende und Azubis. Keine noch so gute Regulierung der Märkte wird in diesem System die Situation der Masse der Bevölkerung substantiell verbessern. Alle Veränderungen, die die Gewerkschaften und die Linkspartei bisher vorgeschlagen haben, sind reine Kosmetik, und werden den Kapitalismus keineswegs „zähmen“ oder ihm ein „menschliches Antlitz“ geben können.

Eine Frage des Systems

Genau aus diesem Grund müssen wir für den Sturz des Kapitalismus und eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft kämpfen. Nur der bewusste, solidarische Klassenkampf aller SchülerInnen, Studierenden und Azubis zusammen mit der ArbeiterInnenklasse gegen die herrschenden Klassen kann für das Ende dieses chaotischen Systems sorgen.

Der ehemalige Chef der US-Zentralbank, Alan Greenspan, meinte vor kurzem: „Die Krise wird eine Rückkehr zum ideologischen Kampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus bedeuten. Viele von uns glaubten, dieser Kampf sei vorbei (...), aber dies ist nicht der Fall.“ Ausnahmsweise stimmen wir mit Greenspan überein: Nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Planwirtschaften 1989/91 erlebte der Kapitalismus einen langen Aufschwung. Er erschien alternativlos. Doch diese Krise bedeutet vermutlich den Anfang vom Ende dieses Aufschwungs. Die Lebensstandards von Milliarden Menschen werden angegriffen, weswegen auch viele von ihnen die gesellschaftlichen Verhältnisse in Frage stellen werden.

Deswegen müssen wir in jedem Kampf mit einer eindeutig revolutionär-sozialistischen Perspektive eingreifen:

Massive Lohnerhöhungen für alle, um den Preissteigerungen entgegenzuwirken!

Für Streiks, Blockaden und Besetzungen! Für Massenproteste gegen die Rettung der Banken auf Kosten der Bevölkerung!

Stellt alle Banken unter die selbstverwalteten Kontrolle der ArbeiterInnen!

Jedes Unternehmen, das von der Krise betroffen ist, soll selbstverwaltet von den ArbeiterInnen weitergeführt werden!

//von Stefan, Revo FU //REVOLUTION Nr. 31

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