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Wie konnten die Nazis siegen?

Als vor 75 Jahren der Reichstag brannte, war es schon zu spät – der Sieg der Faschisten und die Schuld daran

JedeR kennt den Faschismus aus der Schule und das Thema hängt vielen zum Hals raus. Das ist auch nur allzu gut verständlich, denn der deutsche Faschismus wird immer wieder auf die gleiche, oberflächliche Art und Weise dargestellt. Schulstunden zur Naziherrschaft gleichen einer „Geisterbahnfahrt“ durch die „bösen alten Zeiten“ und Hitler ist der Teufel, der die vielen dummen Arbeitslosen überzeugte und so sein Terrorregime aus dem Hut zaubern konnte.

Am 28. Februar war der 75. Jahrestag des Reichstagsbrandes – ein Anlass, auf eine andere Weise den Aufstieg des deutschen Faschismus beleuchten.

Der Aufstieg

Die tiefe wirtschaftliche Krise hatte auch die Mittelschichten, das so genannte Kleinbürgertum, getroffen und radikalisiert. Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Antimarxismus und eine gewisse Gegnerschaft gegenüber Kapitalismus und moderner Industrie – das war die NSDAP. Vor allem im Hass auf alles Marxistische sahen sich die verschiedenen Strömungen der radikalen Rechten vereint.

Das war schließlich auch die Eigenschaft, die die Nazis auch für GroßkapitalistInnen so interessant werden ließ, so dass die Großindustriellen Thyssen und Krupp sogar drei Millionen Reichsmark Wahlkampfzuschuss zahlten. Denn die radikale Arbeiterschaft und ihre Organisationen, namentlich die Kommunistische Partei (KPD), wurden immer stärker. In einigen Industriezentren hatte sie sogar die Unterstützung der Mehrheit der organisierten ArbeiterInnen.

Freund und Feind meinten, dass die KommunistInnen gut auf die Machtübernahme vorbereitet seien. Das tödliche Problem der KommunistInnen war aber ihre ultralinke Politik. Für die KPD am Ende der Weimarer Republik war der „Hitler-Faschismus“ nur eine Form des Faschismus. Die KPD sah selbst in den SozialdemokratInnen „Sozial-Faschisten“. Während die SPD-FührerInnen rechtsstaatliche Illusionen schürten und die faschistische Gefahr rigoros herunterspielten, verhinderten die stalinistischen KPD-FührerInnen durch ihre „Sozialfaschismus“-Theorie jegliche Einheitsfront.

Die Einheitsfront

Die Einheitsfront, die vereinte Aktion der Arbeiterklasse zur Abwehr der faschistischen Gefahr, wäre nötig gewesen. „Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen!“ – das war das Gebot der Stunde. Dafür traten auch die TrotzkistInnen vehement ein: „Verteidigung der demokratischen Rechte, Organisierung von Massenstreiks! Einberufung eines Betriebsräte- und Erwerbslosenausschüsse-Kongresses, der die konkreten Maßnahmen zur Durchführung dieser Abwehraktionen trifft!“ Doch die StalinistInnen beschränkten sich auf eine „rote Einheitsfront“ mit sich selbst: Auf diese KPD-„Einheitsfront“ konnten die SPD-ArbeiterInnen verzichten.

Dabei wäre gerade eine gemeinsame Aktionsfront eine Möglichkeit gewesen, die zurückhaltenderen ArbeiterInnen von der Unfähigkeit der sozialdemokratischen Führer­Innen zu überzeugen. Denn im Kampf zeigt sich, wie sehr die reformistischen BürokratInnen, durch ihre Angst um das kapitalistischen System, die Möglichkeiten des Proletariats begrenzen, während die RevolutionärInnen konsequent für die volle Handlungsfähigkeit der Arbeiterklasse eintreten. Zum Beispiel wäre ein Generalstreik gegen die Nazis oder gar die Arbeiterbewaffnung für die staatstreuen SozialdemokratInnen ein Problem, aber für jedeN sozialdemokratischeN ArbeiterIn eine offensichtliche Notwendigkeit gewesen. So hätte die erfolgreiche antifaschistische Defensive eine entscheidende Vorstufe eben der „revolutionären Offensive“ werden können, die die KPD-FührerInnen so vollmundig versprachen.

Am 30. Januar 1933 wurde Hitler Reichskanzler. Daraufhin veröffentlichte die KPD einen Aufruf zum Generalstreik, dem aber kaum jemand folgte. Der Graben, den die KPD zwischen sich und den „Sozialfaschisten“ gezogen hatte, war viel zu tief. An einigen Orten kam es dennoch zur Zusammenarbeit, vor allem die sozialistische Jugend war zu gemeinsamen antifaschistischen Initiativen bereit, doch die SPD-Führung drohte mit Parteiausschluss. Die neue Regierung nahm den Generalstreik-Aufruf zum Anlass, linksradikale Versammlungen, Demos und Zeitungen zu verbieten. Die braunen Horden hatten ab dem 30. Januar zunehmend Narrenfreiheit, die Polizei verlor nun jeden Schein von Unabhängigkeit. Der Terror richtete sich fast nur gegen KommunistInnen. Massenhafte Verhaftungen und Hausdurchsuchungen waren an der Tagesordnung.

Der Brand

Am 28. Februar brannte der Reichstag. Was folgte war maßlose antikommunistische Hetze und Hysterie. Durch eine weitere Notverordnung wurden Grundrechte außer Kraft gesetzt, in den folgenden Tagen wurden zehntausende KommunistInnen verhaftet.

Am Tag nach den Wahlen vom 5. März wurden die Aktivitäten der KPD vollständig für illegal erklärt und ihre Reichstagssitze gestrichen. KeinE SPD-FührerIn protestierte mit einem Wort gegen diese Maßnahme. Schon seit Amtsantritt Hitlers wiesen die sozialdemokratischen FührerInnen ihre Mitglieder an, abzuwarten, ob die Hitler-Regierung die Verfassung und ihre Zusicherungen einhalten würde. Die Verfolgung betraf ja schließlich zunächst nur die radikalen, „demokratiefeindlichen“ Linken.

Das so genannte Ermächtigungsgesetz, mit dessen Hilfe das Parlament vollständig entmachtet wurde, wurde mit den Stimmen aller bürgerlichen Parteien angenommen. Die SPD-Fraktion war allein dagegen, die KPD-Fraktion im Knast oder im Untergrund. Jetzt gingen die Nazis auch gegen die SozialdemokratInnen vor. Gerade für die GewerkschaftsführerInnen war dies aber eher ein Grund, noch stärker mit der neuen Regierung zu kuscheln. Sie hofften, „daß ihre geschichtliche Leistung gerade von der Regierung anerkannt wird, die sich das große auch von der Arbeiterschaft anerkannte Ziel setzt, die innere und äußere Freiheit der Nation auf die schöpferischen Kräfte des ganzen Volkes zu gründen.“

Die Gewerkschaften riefen sogar zur Nazi-Kundgebung zum 1. Mai auf. Doch es half nichts. Am 2. Mai besetzten SA, SS und Polizei die Gewerkschaftshäuser. Damit war die deutsche Arbeiterbewegung vollständig zerschlagen.

Die Geschichte des Sieges der NationalsozialistInnen ist die Geschichte der großen Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung, von der sie sich bis heute nicht wieder erholt hat. Die deutsche Arbeiterbewegung war die weltweit bestorganisierte, bewundert von ArbeiterInnen rund um den Erdball. Doch der Verrat der Sozialdemokratie und und das Versagen der stalinistischen KPD-Führung, eine echte Einheitsfront aufzubauen, führten dazu, dass diese mächtige Arbeiterschaft so gut wie kampflos zugrunde gerichtet wurde.

Was machen wir jetzt?

Heute, wo wir uns auch in Deutschland wieder auf eine Krise zubewegen, recken auch wieder radikalisierte KleinbürgerInnen in Gestalt von NPD oder DVU ihre Köpfe. Sie nur auf die „böse Hitlerzeit“ festzunageln, hat keinen Erfolg.

Wir müssen den (klein-)bürgerlichen Antworten auf die Probleme im Kapitalismus, wir müssen dem Konzept der „Volksgemeinschaft“, unser Konzept von Klassensolidarität, sozialer Revolution und Rätedemokratie entgegenstellen. Das ist der größte Dienst, den wir den vielen Tausend Schwestern und Brüdern tun können, die im Feuer der faschistischen Barbarei vernichtet wurden.

//von Jalava, Revo Kiel //REVOLUTION Nr. 28

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