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Gentrifizierung in Berlin

Gentrifizierung ist zur Zeit das Thema. Wenn ihr euch schon mal gefragt habt, warum der Gemüsehändler in eurer Straße durch einen Modeshop ersetzt wurde oder der Second-Hand-Laden jetzt aufeinmal angesagte Labels verkauft, kann man das auf die Gentrifizierung zurückführen.

Doch was ist das, Gentrifizierung?

Gentrifizierung ist ein Umstrukturierungsprozess in einem innerstädtischen Wohngebiet. Dabei werden die Immobilien (Häuser) in einem ursprünglich ärmlicheren Viertel von wohlhabenden EigentümerInnen übernommen und saniert. Das hat eine starke Mietererhöhung zur Folge. „Sozial Schwache“, die das Viertel vorher bewohnt haben, müssen weg­ziehen, da sie sich die hohen Mieten nicht mehr leisten können.

Ein Paradebeispiel ist hierbei der Prenzlauer Berg in Berlin mit seinen Gebäuden aus der Gründerzeit im 19. Jahrhundert. Sie befanden sich zum Teil in einem sehr baufälligen Zustand und wurden nach 1989 und speziell ab der Jahrtausendwende grundlegend saniert.

Ja klar – werden einige von euch sagen – das ist doch der Kapitalismus: die mit mehr Geld verdrängen die mit weniger Geld. Aber das Komische an dem ganzen ist, dass die mit mehr Geld, die die mit weniger Geld verdrängen, eigentlich mit denen mit weniger Geld Haustür an Haustür wohnen wollen.

Hä? Jetzt mal langsam. Warum wollen denn „Reiche“ mit „Armen“ zusammen leben? OK, mal von vorne:

In den 90ern herrschten noch deutlich andere Zeiten im Prenzlauer Berg: Es standen massenhaft Wohnungen leer, da die Häuser nach der Wende teilweise als unbewohnbar galten und viele Ostler­Innen in den Westen gezogen sind. Da Häuser in der DDR Staatseigentum waren und es diesen Staat nicht mehr gab, gehörten diese Häuser und Wohnungen auch niemandem. So nisteten sich Kreative, StudentInnen und KarriereverweigererInnen ein und begannen auch, Bars und Clubs zu eröffnen. Durch diese Bars, Clubs und die bunte BewohnerInnenschaft wurde der Kiez interessant, immer mehr Leute zogen zu und schon um die Jahrtausendwende konnte man Stadtführungen durch den „Szenekiez” Prenzlauer Berg machen.

Ja das wollen die „Reichen“, auch Yuppies und Bonzen genannt, ein „ruhiges Leben in der Natur und trotzdem mittendrin im Berliner Szeneleben“ – so bewerben jedenfalls die Kastaniengärten in einem Radiospot ihr neues Projekt in mitten einer der Herzstraßen Prenzl‘bergs. Wer sich so eine teure Wohnung leistet, möchte dann auch abends seine ruhe haben und nicht von Kneipen oder Clubs beim Schlafen gestört werden.

So ist z.B. auch der seit 58 Jahren bestehende Knaak Club geschlossen worden, da sich mit Lärmschutzauflagen von 85 Dezibel (normal sind 95 Dezibel) und Partys bis 23 Uhr kein Club halten kann.

Ich sehe das Problem nicht darin, dass jetzt „reiche“ Leute im Prenzlauer Berg wohnen, wie oft gerne mal propagandiert wird („die Schwaben“, „fuck Yuppies“ usw.), sondern dass die Mischung kaputt geht. Lasst doch die SchwabInnen soviel Kavier auf dem Kollwitz-Markt essen, wie sie wollen, solange ich daneben meine Bratwurst für 1,50€ essen kann. Auch die Läden und Kneipen passen sich immer mehr den TouristInnen und den Leuten mit dem etwas dickeren Portmonee an.

Im Prenzlauer Berg ist leider nicht mehr viel zu machen – die Gentrifizierung ist eigentlich schon fast abgeschlossen. Aber in Kreuzberg oder Neukölln fängt sie gerade an. Dort ist auch schon der Widerstand viel größer als er im Prenzlauer Berg je war. So demonstrierten am 1. Mai über 10.000 Menschen gegen Gentrifizierung in Kreuzberg und Neukölln.

Doch wie kann Widerstand gegen Gentrifizierung aussehen, wenn man die Weltrevolution nicht von heute auf morgen herbeischaffen kann? Farbbeutel an luxus­sanierte Häuser zu schmeißen, scheint nicht immer der richtige Weg zu sein.

Der rot-rote Senat muss endlich aufhören, städtische Wohnungen zu privatisieren – allein in den letzten Jahren waren es rund 150.000. Die steigenden Mieten betreffen einen Großteil der Berliner Bevölkerung. Die Betroffenen können sich gemeinsam gegen Privatisierungen und Mieterhöhungen zur Wehr setzen.

Gute Medikamente gegen Gentrifizierung sind noch nicht gefunden. Das heißt aber trotzdem nicht, dass das Ziel aussichtslos ist. Kommt auf die Demonstrationen, informiert euch, und setzt euch für eure Interessen ein!

//Red Brain Nr. 1

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