Rezension in der jungen Welt

der neuen RIO-Broschüre "Von Neukölln zur Weltrevolution"

Während der sozialdemokratische Reichswehrminister Gustav Noske Polizeipanzer gegen ein Häufchen Demonstranten auffahren ließ, die in den Straßen Berlins den zweiten Jahrestag der russischen Oktoberrevolution feiern wollten, versammelten sich am 20. November 1919 junge Kommunisten im dunklen, schmutzigen, engen Hinterzimmer des Berliner Bürgerbräu in der Neuköllner Ziethenstraße 29. Die illegal Tagenden, die sozialistische Jugendorganisationen aus 14 Ländern vertraten, gründeten nach einer Woche Debatte die Kommunistische Jugendinternationale (KJI). Ein knappes Jahr später verfügte die KJI bereits über 49 Ländersektionen mit 800.000 Mitgliedern.

jW-Autor Wladek Flakin, selbst mehrere Jahre aktiv in der kommunistischen Jugendbewegung, hat in einer neu erschienenen Broschüre die »Berliner Jahre« der KJI von 1919 bis zur Verlegung ihres Sitzes nach Moskau 1921 und - wie Flakin meint - ihrem damit symbolisierten Verlust der Eigenständigkeit untersucht. Er ergänzt die eher magere Geschichtsschreibung zur KJI aus einern bislang weitgehend vernachlässigten Blickwinkel, der sich weniger den praktischen Aktivitäten der kommunistischen Jugendverbände als ihrem Verhältnis zur Kommunistischen Internationale widmet.

So trat der erste KJI-Vorsitzende Willi Münzenberg bis zu seiner Absetzung 1921 vehement für die organisatorische Unabhängigkeit des Jugendverbandes gegenüber der »Erwachseneninternationale«, der Komintern, ein. Dieser Standpunkt leitete sich aus Münzenbergs Erfahrungen während des ersten Weltkrieges ab. Während die »sozial patriotischen« Parteiführungen der Sozialdemokratie den Krieg unterstützten, bildete die sozialistische Jugend die Avantgarde der Kriegsgegner.

Die Lehren aus der Erfahrung der KJI sind für die heute bestehenden sozialistischen Jugend verbände durchaus aktuell. »Die frühe Geschichte der KJI beweist eindrucksvoll, daß junge RevolutionärInnen sich als Teil der revolutionären ArbeiterInnenbewegung organisieren müssen - aber auch, daß sie in diesem Rahmen eigenständige Strukturen brauchen, um sich in diese Bewegung eingliedern zu können«, so das Fazit Flakins. Damit knüpft er an Lenins Gedanken an, daß Kommunisten den Drang der Jugendverbände nach Selbständigkeit respektieren und bei Konflikten mit ihnen einzig auf geduldige Überzeugungsarbeit anstelle bürokratischer Maßregelung setzen sollten.

//von Nick Brauns //junge Welt vom 3. Mai 2010, S. 15

//Wladek Flakin: Von Neukölln zur Weltrevolution. Vorwort von Wolfgang Wipperman. 48 Seiten, 2,50 Euro. Bestellungen per Mail: info@revolution.de.com

//Broschürenvorstellung in Berlin am 5. Mai um 19 Uhr im Cafe Ponte Carlo, Brückenstraße 4 (U8 Heinrich-Heine-Straße), Berlin


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